Krieger und Ritter

Krieger, Ritter, Söldner und Soldaten

In Europa war die militärische Verteidigungsfähigkeit Grundlage für die Existenz von sozialen und politischen Namensträgern. Ob wir von Klans, Dynastien, Stämmen, Völkern oder Staaten sprechen, immer stand hinter diesen Bezeichnungen auch das militärische Behauptungsvermögen. Als präventive Abschreckung können wir die bei Julius Cäsar (1. Jh. vor Christus) erwähnten Raubzüge der Jungscharen der Sueben (Elbanwohner) über die Nachbarvölker genauso verstehen wie die Überfälle der Spartaner auf die Heloten, der von den Spartanern unterworfenen Bevölkerung.

Gewaltandrohung und auch das Gewaltpotenzial konstituierten eine handlungsfähige Gemeinschaft in Europa. Über die Langobarden berichtet der Chronist Paulus Diaconus (8. Jahrhundert) von einer alten Sage, wonach die Langobarden vor einer spätantiken Schlacht ihre Sklaven hätten die Freiheit versprechen müssen, falls sie mitkämpfen würden, um wieder genügend Mitstriter ins Schlachtfeld führen zu können. Der Stamm der Langobarden setzte sich demnach aus den waffenfähigen Mitstreitern zusammen; sozial erlaubte Waffenfähigkeit definierte einen Stammesangehörigen.

Im Übergang von der Antike zum Mittelalter wurden aus adligen Gefolgschaftsführern Fürsten mit eigenen Privatarmeen, die sie aus den Reihen ihrer zahlreichen Knechte rekrutierten. Das englische Wort für Ritter „knight“ bewahrt noch die Erinnerung an die Herkunft der Ritter als Knechte ihres Herrn. Auf Latein hießen diese Knechte „ministeriale“ (Bedienstete); die Ministerialen eines Königs konnten zu hohen Reichsämtern aufsteigen. Mit „Knecht“ war der unfreie Status umrissen und nicht die Art seiner Tätigkeit für den Herrn.

Jeder Herr bemühte sich, seinen berittenen Kriegern genügend Land und Leute zu verleihen (Lehen), damit ihnen die Versorgung garantiert war und sie jederzeit ihren Waffendienst ausüben konnten. Allmählich verdrängten diese bewaffneten Knechte eines Fürsten und Königs die im Stamm verbreitete Waffenfähigkeit anderer Stammesangehörigen, die im Laufe des 9. und 10. Jahrhunderts halbfreie Hörige (Laten oder Liten) waren. Waffenfähigkeit war Ausdruck des Führungsanspruchs und der Führungsanspruch lag bei den mächtigen Geschlechtern wie den Liudolfingern, die dann von 919 bis 1024 die Könige des Deutschen Reiches stellten.

 

König Otto (936-973), der Große genannt, gewann 962 die römische Kaiserwürde, weshalb sich sein Reich als „Heiliges Römisches Reich“ verstand. Das Heilige Römische Reich, das sich seit 1495 mit dem Zusatz „deutscher Nation“ bezeichnete, definierte sich zuallererst über die Matrikel, d. h., über die Aufgebotsbeiträge zum Reichsheer im Verteidigungsfalle. Da der König selbst über kein eigenes Aufgebot verfügte, sondern nur die Fürsten, und jedem Teilstaat (Fürstentum, Reichstadt) war an einer Schwächung des Reiches gelegen, um selbst darin zu größerer Macht aufsteigen zu können, verblieb das Heilige Römische Reich deutscher Nation in einer Situation der Stagnation bzw. des Niedergangs, während die Herrscherhäuser Österreichs, Preußens, Baierns oder Württembergs mit eigenen stehenden Armeen aufstiegen.

Die Fürsten ließen Söldner anheuern und zur Verteidigung eidlich verpflichten. Das Geld dafür kam vor allem aus einer immer besser funktionierenden Staatsverwaltung. Der Staat diente geradezu zur Aufrechterhaltung der militärischen Verteidigungsfähigkeit.

In der modernen Geschichte sind es die „stehenden Heere“ aus der Zeit des fürstlichen Absolutismus, die zur „Volksarmee“ transformieren; die Wehrpflicht erfasste allmählich alle männlichen Angehörigen eines „Volkes“ bzw. eines „nationalen Staates“. Seit Ende des 18. Jahrhunderts ist der Soldat als „Landeskind“ in die „Volksverteidigung“ auch emotional einbezogen. Im 19. und 20. Jahrhundert fallen nicht mehr Söldner, sondern „Völker“ bzw. deren Soldaten übereinander her.

 

Vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert änderte sich das Verteidigungssystem von den Kriegern über die Ritter zu den Söldnern und Soldaten. Das lässt sich auch an der ostfälischen Kulturlandschaft ablesen.

Das Kriegerwesen fassen wir in der Stammesversammlungen auf einem Thingplatz, der im örtlichen Bereich auch Thieplatz heißt. In den vorkarolingischen, sächsischen Godingen (Gau-Thingplätze) kamen die führenden Geschlechter (Edelinge), die Freien und die Halbfreien zusammen. Im Kriegsfalle unterwarfen sich alle einem Heerführer, dessen Amtsgewalt nur auf die Dauer des Feldzuges beschränkt blieb. Solche Heerführer auf Zeit waren jene Namen, die uns die fränkischen Reichsannalen überliefern: Theoderich (Mitte 8. Jh.), Hessi (775), Brun (775) und Widukind (777 bis 785).

Die sächsischen Gaue waren kleinräumiger als die fränkischen Gaue im eroberten Sachsen. Karl der Große unterwarf die Sachsen dem fränkischen Grafschafts- und Bistumssystem. Während Grafen noch keine Burgen besaßen, errichten die Bischöfe um ihre Kathedralen „Domburgen“. Da der Klerus offiziell keine Waffen tragen noch nutzen durfte, musste ein Bischof einige seiner Knechte ausrüsten und sie dem König als Aufgebot stellen. Innerhalb eines Bistums bzw. einer Grafschaft konkurrierten die Geschlechter um die Besetzung der Grafen- und Bischofssitze.

Die Macht eines Geschlechts ergab sich aus diversen Faktoren:

Der Ruhm eines Geschlechts (Taten der Vorfahren)
Angehörige auf ein Grafen- oder Bischofsamt

Einkünfte

Anzahl der Lehensleute

Wie zahlreich waren seine verwandtschaftlichen Beziehungen im Umfeld der politischen Entscheidungen?

Nähe zum Herrscherhaus

Persönlichkeit

 

Es gibt demnach keine konkrete Definition, was Adel zum Hochadel/Fürstenadel machte, sondern vielmehr eine Konstellation von Faktoren mit einer bestimmten Gewichtsverteilung zu einem gegebenen Moment. Unabhängig davon, war das hohe Mittelalter die Zeit des Fürstenadels, der seine Ritter (niederer Adel) hielt.

Burgen und befestigte Ort waren daher zunächst einmal gegen die konkurrierenden Adelsgeschlechter gebaut. Dies wird auch deutlich, in der Art, wie unter Otto dem Großen die Pfalzen Werla, Quedlinburg und Magdeburg zu den wichtigsten Orten der königlichen Repräsentanz ausgebaut wurden.

 

Die ersten Höhenburgen entstanden im 11. Jahrhundert,

Schloss Herzberg (1024)

Burg Ballenstedt (vor 1043)

die Harzburg (1065)

Immer mehr Grafengeschlechter begannen, Burgen bzw. Höhenburgen zu errichten:

Burg Anhalt (um 1100)

Die Winzenburg (bei Lamspringe, vor 1109)

Burg Falkenstein (ab 1115)

Burg Scharzfeld (vor 1131)

Burg Regenstein (um 1169) 

Burg Wohldenberg (vor 1172)

Während Burgen wie Kronen über Bauern und Land lagen (daher der Burgenname Landskrone), waren die Menschen in den Dörfern trotz der kleinen Landwehr mit Hecke um das Dorf herum den Schergen des konkurriernden Adels ausgeliefert. Trugen zwei Geschlechter eine Fehde aus, so überfielen sie zunächst einmal die Hörigen des anderen. In Hülsede sieht man diese Auswirkungen der Fehde für die Ortschaften in der Dorfkirche (Deckenmalerei, 16. Jh.).

 

Ende des 14. Jahrhunderts war mit dem Aufkommen des Schießpulvers und der Kanonen die Zeit der Burgen vorbei. Die Fürsten benötigten jetzt Landsknechte, Leute vom Land, die als Söldner für einen Fürsten dienten. Kaiser Maximilian (+1519) galt als der letzte „Ritter“ auf dem Thron, aber schon Kaiser Maximilian war zwischen den Haufen seiner Landsknechte marschiert.

Die Familie von Rössing (Rössing, Osterwieck) stellte (mietbare) Anführer für solche Landsknechthaufen und dient auf Seiten Kaiser Karls V. in den Niederlanden gegen die Protestanten. Zahlreiche Osterwiecker waren mit dem Herrn von Rössing mitgezogen. Die Grafen von Mansfeld ließen sich ebenfalls gerne anheuern und traten als Herrführer mit ihren Landsknechthaufen auf. 1521 ermordeten sie fast die gesamte Bewohnerschaft der Stadt Gronau (Leine) und zerstörten den Ort. In derselben Kulturlandschaft lebten die Jäger und ihre Beute.

Räuberbanden aus St. Andreasberg zogen durch das nördliche Harzvorland: Selbsternannte Räuberhauptmänner ahmten das Vorbild eines von Rössing oder eines Mansfelder Grafen nach.

Die Kulturlandschaft befand sich vom 14. bis zum 17. Jahrhundert in einem Dauerbelagerungszustand oder Dauerkriegszustand. Die Städte legten daher Landwehren durch die Kulturlandschaft an, um den Gegner schon an der Landwehr abzufangen. Kilometerlange Gräben mit undurchdringlich bewachsenen Wällen (Landwehren, Knicke, Hagen) erinnerten gleichsam Narben an die unruhigen Zeiten des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit.

 

Und dann kam die Katastrophe: der Dreißigjährige Krieg (1618-1648). Fürsten wie der tolle (verrückte) Christian von Braunschweig genossen ihre Macht und bedrohten ganze Landstriche, wenn sie nicht bereit waren, sich von der drohenden Einquartierung freizukaufen.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde die optische Pracht des Burgenbaus zerschossen und zerstört – von katholischen wie von protestantischen Herrführern: z. B. die Liebenburg und die Hornburg (1645).

Gegen die Söldnerflut half einem Fürsten nur noch ein stehendes Heer: Im Kurfürstentum Brandenburg (mit Halberstadt und Magdeburg; 1701 Königreich Preußen) als erstes nach dem Dreißigjährigen Krieg entstanden. Ihm folgte im 18. Jahrhundert das Kurfürstentum Hannover (1814 Königreich Hannover).

In den Kurfürstlichen Armeen war das Verhältnis zwischen Söldnern und Landeskindern zunächst noch gemischt. Die Fürsten ließen Garnisonen bauen und bestimmten Orte zu Garnisonsstädten. Solch ein Regiment (von Steuben) war in Wendhusen/Thale stationiert. Im Kloster Wendhusen wirkt heute eine preußische Traditionsgruppe und erinnert an die preußische Vergangenheit des Harzer Vorlandes.

Unter den Preußen wurde nicht nur der Gleichschritt eingeführt, sondern auch aus den Landknechten (Söldnern) Landeskinder (Soldaten). Die moderne Armee entstand. Die Wehrpflicht wurde durchgesetzt.

 

Und dann kam die Katasprophe: zwei Weltkriege innerhalb von einer Generation. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1914) entstand die „deutsche Armee“ (bis dahin hatte jeder deutsche Teilstaat nominell seine eigene Armee). Mit Ende des Zweiten Weltkrieges (1945) war die Katastrophe komplett; keine Familie Europa blieb von den Folgen der Kriege unberührt.

Ein Ergebnis des Zweiten Weltkrieges war die Teilung Europas, die mitten durch Deutschland und durch die ostfälische Kulturlandschaft ging (Eiserner Vorhang). Es gehört zum Gedächtnis der Landschaft, dass die ehemalige innerdeutsche Grenze als „Grünes Band“ in Erinnerung bleibt. Aus den Soldaten des Kalten Krieges wurden Ranger (Nationalpark) des Naturschutzes; aus den Grenzschützern wurden Touristenführer in den Grenzlandmuseen.

 

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