Königslandschaft

Königsland Ostfalen

Projektbeschreibung "Chöre auf dem Königsweg" (hier klicken).

Ostfalen war auch Land der Könige und Kaiser. Die „Wege deutscher Könige und Kaiser“ führen den Besucher zu Orten der königlichen Herrschaft und Imperialität. Ostfalen hatte Phasen der Königsnähe und Königsferne.

Aus Angst davor, dass der cheruskische Stammesfürst Arminius nach dem Sieg über die Römer („Varusschlacht“ 9 n. Chr.) eine königsgleiche Stellung inne haben könnte, wurde er zwei Jahre nach seinem weiteren Sieg über den germanischen Konkurrenten Marbod (17 n. Chr.) von den eigenen Verwandten im Jahre 19 umgebracht.

Im 5. und 6. Jahrhundert herrschten die Könige der Thüringer über die Börden nördlich des Harzes. So sehr war der heute „Magdeburger Börde“ genannte Bereich traditioneller Herrschaftsraum der Thüringer, dass deren Name am mittelalterlichen Verwaltungsgau hängen geblieben war: Nordthüringergau. Aus dem Raum, wo heute die „Lebenshilfe Ostfalen“ (Schloss Hundisburg) oder der „Technologiepark Ostfalen“ (Barleben) ihren Sitz haben, vergab z. B. Otto der Große Besitz eben aus dem „Nordthüringergau“ an seine Magdeburger Kirchenneugründungen.

Die Könige der Thüringer unterlagen ihrem Schwager, König Theuderich, König des ostfränkischen Teilreiches, später Austrasien genannt. König Theuderich besiegt mit seinen Hilfstruppen und Verbündeten Ende der 520er Jahre und Anfang der 530er Jahre in mehreren Schlachten die thüringischen Teilkönige. In diesem Zusammenhang wird zum ersten Male der Stammesname der „Sachsen“ als Verbündete der Franken erwähnt.

Nach dem militärischen Erfolg über die Könige der Thüringer musste Theuderich die thüringische Beute verteilen und Mitstreiter belohnen: Eventuell, aber unbewiesen, wurden in diesem Zusammenhang einige Falen im Börderaum zwischen Innerste und Oker angesiedelt, woher sich dann auch der mittelalterliche Name des Verwaltungsgaues „Astfala (= Ostfalen) erklären könnte. Als Stamm wurden die Ostfalen in fränkischen Quellen für die Regierungszeit Karls de Großen überliefert. Übrigens: auch Westfalen wurde zunächst nur als Gauname überliefert ("Westfala").

Inwieweit jene Falen mit den Sachsen in Verbindung standen oder „Sachsen“ waren, lässt sich schwer sagen, aber die Franken nannten alle nichtfränkischen Nachbarn nördlich der Thüringer „Sachsen“, auch die Engern, Haruden (Harzgau), Falen (Westfalen, Ostfalen), Schwaben (Schwabengau) und Nordthüringer.

Einige Zeit lang siedelten einige „Sachsen“ zwischen Bode und Elbe; von dort waren sie dem Ruf langobardischer Könige gefolgt und mit diesen nach Italien gezogen. Anfang der 570 Jahre zog dieser sächsische Heerhaufen wieder in das nordöstliche Harzvorland zurück. Mittlerweile hatten die fränkischen Könige den Stamm der Nordsueben (Nordschwaben) von der Havel an die Bode, Selke und Wipper umgesiedelt. Die „zurück“-gekehrten Sachsen wollte nun in einer mehrtägigen militärischen Auseinandersetzung diese Schwaben vertreiben; die Schwaben aber verteidigten ihre eingenommenen Wohnsitze erfolgreich, so dass deren Name am mittelalterlichen Verwaltungsgau „Schwabengau“ hängen blieb. Bis in den Sachsenspiegel“ Eike von Repgows (ca. 1235) blieb die Erinnerung an zwei unterschiedliche Adelsherkunftslinien bezeugtermaßen überliefert: Adel sächsischer und Adel schwäbischer Herkunft.

Unter den fränkischen Königen aus dem Haus der Merowinger blieb die fränkische Oberhoheit eine tributmäßige Abhängigkeit, er unter den fränkischen Königen aus dem Haus der Karolinger wurden die Länder der „Sachsen“ in den fränkisch-staatlichen Verwaltungsbau integriert. 30 Jahre lang kämpfte Karl der Große mit seinen Nachbarn, um sie zu unterwerfen und zu taufen, sprich zu christianisieren. Im Jahre 775 unterwarf sich Hessi, Anführer der Ostfalen, Karl dem Großen in Ohrum an der Oker. Dass das Christentum viel ältere und eigenständigere Wurzeln bei den Ostfalen hatten, bezeugen für das 7. Jh. der Reiterstein von Hornhausen (heute im Wappen des neuen Bördekreises) und der Stein von +Marsleben (ausgestellt im Schlossmuseum von Quedlinburg).

Unter Karl dem Großen wurden die Zuschnitte der zukünftigen Bistümer und Verwaltungsgaue (Grafschaften) festgelegt. In Ostfalen erstreckten sich die Bistümer von Halberstadt (Oker bis Unstrut) und Hildesheim (Oker bis Eterna), wobei die Hildesheimer Sprengelgrenze zu Minden (Deister-Hannover-Raum) offenbar politisch und nicht naturräumlich motiviert war, wenn man den Grenzverlauf zwischen beiden Bistümern betrachtet.

An größeren Gauen waren Astfala (Hildesheimer Börde), Harzgau (ungefähr identisch mit dem neuen Harzkreis), Schwabengau (zwischen Bode, Saale und Wipper), Nordthüringergau (Magdeburg-Schöningen) und Derlingau (Oker-Elm).

Im Grunde genommen erscheinen uns diese alten Gaunamen wie mittelalterlicher Namensbalast, der mit uns heute scheinbar wenig zu tun hat, umso erstaunlicher aber ist die Rückbesinnung auf mittelalterliche, wenn nicht sogar frühmittelalterliche Symbole für territoriale Einheiten (Landkreiswappen), Institutionen, Einrichtungen oder Firmen: Lebenshilfe Ostfalen, Technologiepark Ostfalen, Geopark Harz-Braunschweiger Land-Ostfalen, die geplante Umbenennung der FH Braunschweig-Wolfenbüttel in „Ostfalia Hochschule für Angewandte Wissenschaft“ (Standorte in Wolfsburg, Braunschweig, Wolfenbüttel und Salzgitter); Bücher über das ostfälische Platt werden beispielsweise vom „Ostfälischen Institut“ (Helmstedt), vom Bördemuseum Burg Ummendorf oder vom Ostfalia-Verlag (Peine, Osterwieck) herausgegeben. Passenderweise wurde von Otto dem Großen die Anekdote überliefert, dass Otto im Harzer Vorland-Platt sprach und von den schwäbischen Fürsten nicht verstanden wurde, worauf sein Sohn Otto (II.) den Vater übersetzen musste. Man stelle sich vor: König Otto gab op platt die Befehle auf dem Lechfeld in der berühmten Schlacht gegen die Ungarn!

 

Das sächsische Königshaus:

König Otto I. (936-973) war der Enkel jenes Herzogs Otto (880-912), der 911 bereits das Angebot, König in Ostfranken zu werden, ausgeschlagen hatte. Herzog Ottos Schwester hatte König Ludwig II. von Ostfranken geheiratet. Otto und seinen Schwester waren die Kinder des Grafen Liudolf, der als Erster unter den sächsischen Grafen dagestanden zu haben schien, seine Söhne Brun und Otto hatten offenbar einen unangefochtene Herrschaft über den Adel im Stamm der Sachsen ausgeübt. Herzog Otto, auch der Erlauchte genannt, war nicht nur Herzog, sondern auch Laienabt des Klosters Hersfeld. Er war also weder Priester noch für ein kirchliches Amt geweiht, hatte ab das Amt des Klosterabtes inne. Ottos Sohn Heinrich folgte auf den Vater 912 und verzichtet auf die Würde des Laienabtes, behielt dafür aber wichtigen besitz des Klosters Hersfeld (z. B. Quedlinburg, Egeln); Heinrich wurde 919 zum König der Ostfranken ausgerufen. 400 Jahre nach den Thüringern brachte der Raum um den Harz wieder Könige hervor: Heinrich I. (919-936), Otto I. (936-973), Otto II. (973-983) und Otto III. (983-1002) – der Name der Liudolfinger änderte sich in den Namen der Ottonen.
Man kann unter Heinrich I. den Umbau des Harzumlandes in eine ottonische Königslandschaft beobachten: Im südöstlichen Harzvorland gehörten ihnen Allstedt, Wallhausen und Artern. Weiter westlich schlossen Heiligenstadt, Duderstadt, Pöhlde, Grona, Greene, Gandersheim und Seesen an - das sächsische Königshaus beherrschte auch das südwestliche Harzvorland. Von hier aus setzten die Liudolfinger in Brüggen, Königsdahlum, Lutter am Barenberge, Kanstein (Langelsheim) und Werla weitere Herrschaftszentren in den Bereich des nordwestlichen Harzvorlandes.

Von Heinrich ist überliefert, wie er auf der Burg und Pfalz Werla den Ansturm der Ungarn aushielt (seit 2007 wird auf der Werla wieder ausgegraben).

An strategisch wichtigen Punkten errichtete das sächsische Herrscherhaus weitere Burgen wie in Derenburg, Quedlinburg, Burg Egeln, Sudenburg und Magdeburg: Das nordöstliche Harzvorland wurde zur Königslandschaft.

Die Gründung von Kanonissenstiften vertiefte die Erschließung der Landschaft als Königsland: Gandersheim, Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen wurden zu wichtigen ottonischen und späteren Reichsstiften. Das frühere Stift Wendhusen (Thale) wurde Quedlinburg unterworfen. Letztlich gehören auch die Gründungen der Bistümer Magdeburg und Merseburg unter Otto dem Großen zur politischen Durchdringung des Harzes und Harzumlandes (auf Kosten des älteren Bistums Halberstadt).

Unter Heinrich II. wurde der Regierungssitz 1017 von der Werla nach Goslar verlegt; fortan blühte Goslar zur wichtigsten Stadt eines deutschen Königs und römischen Kaisers. Vor allem unter König und Kaiser Heinrich III., der Suithger von Hornburg zum Papst Clemens II. wählen und sich von diesem zum Kaiser krönen ließ, stieg Goslar zur Quasi-Hauptstadt auf. Heinrichs Sohn, Heinrich IV. (+1106) verspielte fiel von der Macht des Vaters und verlor seine Burgen (z. B. Harzburg, Sachsenstein). Der Adel des Harzumlandes wurde zum Gegner des Königs, das Harzumland selbst zur königsfernen Provinz.

 

Die Königsnähe entstand erst wieder unter dem ersten deutschen König, der sich mit einer Ordnungszahl benennen ließ: König Lothar von Süpplingenburg als Lothar III. (1125-1137). Als Graf des Harzgaus begann Lothar seine Karriere; er baute in seiner Heimat-Grafschaft in Königslutter, Süpplingenburg, Wendhusen und griff in das Geschehen des Klosters Ilsenburg ein. Ein wichtiges Machtinstrument waren für Lothar III. genauso wie für dessen Enkel, Heinrich den Löwen, die Ministerialen: Unfreie, die Verwaltungsposten innehatten, die sonst dem Adel vorbehalten waren. Die von Wolfenbüttel oder von Peine gehörten genauso zu jenen mächtigen Ministerialen wie die von Blankenburg oder Dahlum.

Herzog Heinrich, später der Löwe genannt, regierte bis zu seiner Absetzung 1180 mit gar königlicher Ambition. Er heiratete wie Otto der Große eine englische Königstochter. Er gab seinen Kindern liudolfingisch-ottonische Namen: Heinrich, Wilhelm, Otto. Er baute Braunschweig zu einer der wichtigen deutschen Residenzorte aus. So mächtig Heinrichs Herzogtum war, so tief war sein Fall; Westfalen wurde aus dem sächsischen Herzogtum herausgeschnitten und Köln zugeschlagen. Ost- und Westfalen verloren nun auch politisch den Zusammenhang. Kaiser Friedrich Barbarassa (Staufer-Dynastie) und mit ihm die staufische Partei schien sich gegen die Welfen durchgesetzt zu haben. Friedrichs Sohn Philipp musste sich dann wieder gegen einen Welfen im Königtum durchsetzen. Otto, der dritte Sohn Heinrichs des Löwen, war beim Onkel Richard Löwenherz in Frankreich erzogen worden und in Amt und Würden. 1198 lehnte König Richard die ihm angebotenen deutsche Krone ab und empfahl seinen Neffen, der nun als Otto IV. die Bühne der deutschen Geschichte betrat. Otto regierte 1198 bis 1218 und wurde 1209 zum Kaiser gekrönt. Unter Kaiser Otto IV. entstand die berühmte Weltkarte von Ebstorf. Der europäische Prinz und deutsche König starb als Kaiser auf der Harzburg 1218. Sofort übernahm Kaiser Friedrich II. die Herrschaft im nördlichen Harzvorland und erlaubte den Bau der Asseburg des ehemaligen welfischen Ministerialen „von Wolfenbüttel“.

Das nördliche Harzvorland blieb von 1218 an den Ambitionen der regionalen Fürsten ausgeliefert: Burgen wurden von Bischöfen oder Herzögen errichtet oder zerstört. Die Region verkam zum Land der Fehden, so dass die Städte sich gezwungen sahen, durch Bündnisse gegen die Raubritter und deren Nester zu schließen. Braunschweig, Magdeburg und Hildesheim schlossen sich mit anderen Städten (u.a. Nordhausen, Göttingen, Aschersleben) zur sächsischen Binnenhanse zusammen. Heute erinnern auch Städte wie Bockenem oder Gronau/Leine an Ihre Zugehörigkeit zur Hanse.

 

Die nächsten Könige im Harzumland waren (nach 1713) die preußischen Könige, die nach dem Dreißigjährigen Krieg die Fürstbistümer Halberstadt und Magdeburg zugeschlagen bekamen - und auch Halle gehörte zu ihnen: Friedrich I. (+1713), Friedrich Wilhelm I. (+1740) oder Friedrich II. (+1786).

Ein kurze Zeit bestand das Königreich Westphalen: 1807-1813. Es war ein napoleonisches Konstrukt und wurde von Napoleons Bruder Jérôme regiert.

Im 18. und 19. Jahrhundert waren die meisten Menschen in Ostfalen königliche Untertanen. Die Kurfürsten von Hannover wurden 1714 in Personalunion Könige von Großbritannien und behielten ihren Königstitel auch, nachdem sich 1837 die Königslinien trennten und das Haus Hannover eine eigene Linie weiterführte. 1866 unterlag das Königreich Hannover im so genannten „deutsch-deutschen“ Krieg dem Königreich Preußen und wurde von diesem als Provinz Hannover einverleibt. Fast ganz Norddeutschland war damals preußisch. Mit der Ausrufung des Deutschen Kaiserreiches (17.01.1871) war der preußische König zugleich Deutscher Kaiser.

1918 musste der König von Preußen in Personalunion auch Deutscher Kaiser wie alle Monarchen abtreten. Ungefähr 1500 Jahre königlich-monarchische Geschichte gingen zu Ende.

 

Hannover, Laatzen, Barsinghausen Braunschweig, Peine, Königslutter Wolfsburg, Gifhorn, Südheide Magdeburg, Haldesleben, Schönebeck Hildesheim, Alfeld, Bockenem Wolfenbüttel, Salzgitter, Schöppenstedt Helmstedt, Schöningen, Erxleben Dessau-Roßlau, Wittenberg, Bitterfeld Northeim, Osterode, Einbeck Goslar, Wernigerode, Clausthal-Zellerfeld Quedlinburg, Halberstadt, Ballenstedt Eisleben, Mansfeld, Wippra Göttingen, Nörtel-Hardenberg, Hardegsen Duderstadt, Heiligenstadt, Eichsfeld Nordhausen, Sangerhausen, Sondershausen Halle, Merseburg, Freyburg/Unstrut