Irmgard Müllers Poesiealbum (1928) – „zum ewigen Andenken“
Irmgard Müller, verheiratete Behrens verstarb. Ihr Poesiealbum von 1928 ist ein Blick in eine andere Zeit. Die Idee von Poesiealben gibt es in der Gestalt von Freundschaftsbüchern aber immer noch.
Das Poesiealbum kann als Memorialbuch verstanden werden, denn es wurde gegen das Vergessen geschrieben. Und so wie es die Freundin Elisabeth Lochte formulierte, erfüllte sich der Sinne eines Poesiealbums erst nach vielen Lebensjahren, wenn man die Eintragenen immer noch nicht vergessen hatte. Wir wünschen der Seele von Irmgard Müller Ruhe und erweisen ihr mit diesem Artikel einen letzten Gruß.
Thomas Dahms
Irmgard mag das Poesiealbum im heimatlichen Bettmar/Vechelde zu Weihnachten 1927 bekommen haben; die ersten Einträge stammen aus dem Januar 2008. Die Konfirmandin Irmgard hatte sich Gedanken gemacht, wer, wo seinen Sinnspruch verewigen dürfte. Und so sind die Einträge auch nicht chronologisch, sondern nach Sympathie geordnet. Als vorerst letztes schrieb die Mutter, am 8. April – auf der ersten Seite – nachdem schon alle Freundinnen und Freunde, Mitkonfirmandinnen und Mitkonfirmanden hineingeschrieben hatten!
Auf die Mutter folgen die Tanten Lieschen und Anna, der Onkel Rudi Brandes und Viktor Lengemann sowie die Tante Anna Eichborn aus Hannover (ein später Eintrag vom 12. Mai). Am 12. Mai war die Verwandtschaft aus Hannover da: Onkel Viktor und Tante Anna. Die junge Irmgard zeigte sogleich mit Stolz ihr schon ziemlich volles Poesiealbum. Und Irmgard wies dem Onkel und der Tante den Platz an: Hier sollt ihr hineinschreiben, da, wo ich mit dem Bleistift schon eure Namen hingeschrieben hatte. Davor und danach blieb der Platz dann für immer leer (Onkel Max und Tante Emma hatten nie etwas hineingeschrieben). Insgesamt trugen sich 52 Verwandte und Mitschüler bzw. Mitkonfirmanden in Irmgards Poesiealbum ein.
Das Poesiealbum trägt die Handschrift ihrer Zeit; deshalb sehen Sie nun auch Auszüge der Originaleinträge, abgefangen bei dem Eintrag der Mutter:
„Lebe glücklich, frei von Schmerzen,
Freue deines Lebens dich,
und in deinem guten Herzen,
sei ein Plätzchen auch für mich.
Immer möge Gott dich leiten,
noch recht lange, lange hir (sic!),
wandle froh durch alle Zeiten,
sei gesund, das wünsch ich dir.
Zum ewigen Andenken an deine Mutter
Bettmar, d. 8.4.1928“
Und in den Ecken stehen die vier Wörter: „Ver – giss – mein – nicht“
„Glaube, Liebe, Tugend,
lerne in der Jugend,
denn im Alter schwer,
lernst du es nicht mehr.
Zur freundlichen Erinnerung
Rudi Brandes
Braunschweig, 2.4.28“
„Wenn du fromm und fleißig bist
Und niemals deine Pflicht vergisst,
Dann begleitet dich auf allen Wegen
Gottes Segen.
Zur freundlichen Erinnerung
Deine Tante Anna Eichborn,
Hannover, d. 12.5.28“
„Habe immer etwas Gutes im Sinn
Und halte dich zu gut,
etwas Böses zu tun.
Bettmar, d. 12. May 1928
Wöltke, L.“
„Wer den Himmel will gewinnen,
muss ein rechter Kämpfer sein.
Zum Gedenken.
Bettmar, d. 15. III. 28
Schnüber“
„Handle behutsam stets
Und immer bedenke
Das Ende.
Goethe.
Zur freundlichen Erinnerung
An deine Schulzeit.
W. Freise
Bettmar, 20.2.28“
Von großer Bedeutung muss Emmi gewesen sein, die Freundin, die als erstes und gleich im Januar in das Poesiealbum von Irmgard Müller schreiben durfte – gleich nach den Erwachsenen:
„Wohin dich führt auch das Geschick,
denk an das Elternhaus zurück,
Wie Vater Mutter Tag und Nacht,
Mit treuer Liebe dich bewacht,
Betracht´s als deine Kindespflicht –
Vergiss es nicht!
Zum ewigen Andenken an
Deine Freundin und Mitkonfirmandin
Emmi Zenker
Bettmar, d. 12. I. 1928.“
Zwischen den beiden besten Freundinnen – Emmi Zenker und Elsbeth Schmidt – trug sich der Vater ein:
„Bleibe fromm und
Halte dich recht,
denn solchen wird’s
zuletzt wohl gehen.
Zum ewigen Andenken an
Deinen Vater
Bettmar d. 8.1.1928“
„Hin sind die schönen Jahre
Hin ist der Schulzeit Glück
Glaub mir´s die schönen Jahre
Sie kehren nie zurück.
Zum ewigen Andenken an
Deine Freundin und Mitkonfirmandin
Elsbeth Schmidt
Bettmar, d. 13. I. 1928
„Wenn du einst in langen Jahren
Dieses Blättchen wirst durchlesen
O, so denk wie wir noch Kinder waren.
Und mit stillvergnügten Sinn
Wanderten zur Schule hin.
Zur freundlichen Erinnerung an
Deine Freundin und Mitkonfirmandin
Elisabeth Lochte
Bettmar, d. 18.I.1928“
Elisabeth Lochte schrieb in die Ecken ihres Eintrags „Denk zurück an mich“ und schrieb quer über das gegenüber liegende Blatt: „???!!!Aus Liebe!!!???“
„Wohl dem, der Gott zum Freunde hat,
ihn über alles liebt;
der findet bei ihm Trost und Rat,
wenn ihn die Welt betrübt.“
„Es streben die Menschen nach Geld und
Gut, Zufriedenheit selten man findet.
Und seltener noch trifft man frohlichen
Mut, der heiter durch Trübsal sich windet,
Und doch ist im Leben derhöchste Gewinn,
Ein harmloses Herz und ein fröhlicher Sinn.
Zur Erinnerung an
Deinen Mitkonfirmanden
Rudolf Eggeling
Bettmar d. 25.I.1928“
Rudolf Eggeling schrieb auf der linken Seite gegenüber seinem Eintrag quer über das Blatt: „!!!Zum ewigen Andenken!!!“
Frieda Oppermann schrieb quer über das Blatt: „!!!Gedenke der Schulzeit!!!“
Elisabeth Metzner schrieb quer über das Blatt „!!!Gedenke mein!!!“
„Ein Kränzlein wollt ich winden
Da kam die finstern Macht
Kein Blümlein war zu finden
Sonst hätt ich dirs gebracht.
Zum ewigen Andenken an
Deinen Mitkonfirmanden
Willi Ehlers
Bettmar, d. 31.1.1928“
„Hilf dir selbst
So hilft dir Gott.“
Grete Drohn verbindet ihren Eintrag mit ihrem und den Namen der Inhaberin des Poesieeintrags:
„Rosen und Vergissmeinnicht,
nicht die besten Gaben
Grete hat sie abgepflückt
Irmgard soll sie haben.“
„Edel sei der Mensch
Hilfreich und gut.“
Am Ende steht Irmgards Mitschüler Otto Zenker:
„Die Tugend gibt Freude.
Die Tugend gibt Ruh.
Drum wähle sie beide.
Und glücklich bist Du.
Zum ewigen Andenken an
Deinen Mitschüler.
Otto Zenker.
Bettmar, d. 15.3.28“